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Chronik des Schützenverein Radolfzell e.V.

Quellennachweis:

Staatsarchiv Freiburg
Stadtarchiv Radolfzell
Landesarchiv Karlsruhe
Albert: Geschichte der Stadt Radolfzell, 1896
Götz: Geschichte der Stadt Radolfzell, 1967
Max Müller: Unsere Schießstätte im Altbohl, 1993
Max Müller: Die Schützengesellschaft Radolfzell 1560-1945, 1998
Helmut Böhringer: Chronik des Schützenverein e.V. 1920-1970, 1976
 

Bildnachweis:   

Schützenverein Radolfzell
Südkurier vom 07.05.1932
Südkurier vom 25.05.1963
 

Autor: JV 

 

Vorbemerkung

Die vorliegende Chronik basiert für den Zeitraum bis Ende des 20. Jahrhunderts im Wesentlichen auf den Aufzeichnungen von Max Müller und Helmut Böhringer (s. Quellennachweis). Die Texte wurden allerdings gekürzt, vielfach umformuliert und durch weitere Recherchen ergänzt.  

    

Vorgeschichte bis 1900

Seit dem 14. und 15. Jahrhundert lassen sich in den Städten rund um den Bodensee Schützengesellschaften nachweisen. Es waren freiwillige Vereinigungen von Bürgern einer Stadt, die sich in Gesellschaften oder Gilden zusammenschlossen und die vom Mittelalter bis in das 19. Jahrhundert von Städten, Landesherren und sonstigen Autoritäten gefördert wurden. Denn durch die Ausübung des Schießsportes stellten sie bei Bedarf zusätzliche wehrtüchtige Mannschaften dar, die zur Verstärkung der regulären Truppen aufgeboten werden konnten.

Das Gründungsdatum der ursprünglich genannten "Schützengesellschaft Radolfzell" ist nicht mehr feststellbar, sie dürfte jedoch bis in das 16. Jahrhundert zurückreichen. Gesichert sind Ortsbeschreibungen der Schießstände für die Armbrustschützen aus dem Jahr 1543 (Alte Gärten) und die der Büchsenschützen von 1566 (Nordhalden/Mettnau). Ein weiterer Hinweis für die Existenz einer Schützengesellschaft in Radolfzell ist die "Bestallungsurkunde" für einen "Armbruster-Schützenmeister" vom 01. April 1560 (Albert: Geschichte der Stadt Radolfzell, 1896). Die Stellung der Schützengesellschaft in der bürgerlichen Gesellschaft war entsprechend des Zeitgeistes auch religiös geregelt. Um 1546 wurde sie als Innung angesehen und war in die "Bruderschaft zum heiligen Rosenkranz" eingebunden. Eine Information aus den Schriften des "Vereins für Geschichte des Bodensees" (Jahrgang 1880) bezieht sich auf zwei Schießstätten, die 1611 in provisorische Spitäler ("Siechenhäuser") umgewandelt wurden. Im Zusammenhang mit der Bestückung von Festungsanlagen im Jahr 1697 wird auch das Schützenhaus benannt: "... das Schützenhaus am Mühlenbach, ein altes Gebäu, 23 Schuh breit, 60 lang, mit 3 Stockwerken, dient zum vorschriftsmäßigen Schießen der jungen Bürger". Hinzu kommen sporadische Hinweise auf das Schützenwesen in sonstigen Veröffentlichungen des 18. und 19. Jahrhunderts, in denen von der wiederholten Auflösung und Neueinrichtung von Schießstätten in und um Radolfzell berichtet wird. So war z.B. die Stadt Radolfzell während der Besatzung durch französische Truppen im Jahr 1796 gezwungen, das Schützenhaus und die Stadtwälle zu verkaufen, um die Kriegssteuer bezahlen zu können (Stadtarchiv Radolfzell). 

Für den oben beschriebenen Zeitraum lässt sich durch die vorhandenen Unterlagen die Existenz der folgenden Schießstätten ableiten:
1. Richtung Mettnau: nördlich der Nordhalden gelegene Schießstätte der Büchsenschützen (Schießhüttenweg), 
2. Schießstätte der Armbrustschützen im Bereich der alten Gärten nördlich der Stadtmauer,
3. Schießplatz zwischen Johannesgäßchen und Mühlenbach (ungefähr heutige Teggingerstraße),
4. Schießstätte entlang der Stadtmauer vom Schießtorturm bis zur Kaiserinnen-Passage.
 
Weitere Nachforschungen stützen sich auf die im Staatsarchiv Freiburg und im Stadtarchiv Radolfzell vorhandenen Akten aus den Jahren 1835 bis 1877. Der erste Schriftwechsel, der in den Rügegerichtsakten der Stadt Radolfzell IV zu finden ist, befasst sich 1835 mit einer Verlegung der Schießstätte, da die Sicherheit nicht hinlänglich gegeben sei. Ein weiterer Schriftwechsel (belegt in den Staatsakten) enthält eine Anweisung des Großherzoglichen Badischen Bezirksamtes an den Gemeinderat der Stadt Radolfzell vom 16.06.1842, dass der Schießplatz beim Schützentor wegen "anerkannter Gefährlichkeit" zu schließen sei. Gleichzeitig wurde ein generelles Schießverbot verhängt. Dem Gemeinderat wird dabei aufgetragen, für einen anderweitigen, geeigneten Platz zu sorgen. Eine Rekursbeschwerde der damaligen "Schützengesellschaft Radolfzell" (deren Gründungsdatum nicht feststellbar ist) führte zur Einsetzung eines Sachverständigenrates, bestehend aus Werkmeister Hirling und Straßeninspektor Greiner für die Stadt Radolfzell sowie Förster Schorpp für die Schützengesellschaft Radolfzell. Der Sachverständigenrat war aufgefordert, eine Inspektion durchzuführen und eine Stellungnahme abzugeben. Diese wurde durch Beschluss der "Großherzoglichen Regierung des Seekreises" vom 30.05.1843 abgelehnt: "Der Rekurs der Schützengesellschaft gegen § 1 des Rügengerichtsbescheides vom 16.06. v.J. wird als unbegründet verworfen. Sollte durch Sicherheitsmaßnahmen die Gefahr beseitigt sein, so hat das Bezirksamt die Sache gehörig zu untersuchen und Nachricht zu geben." Obwohl weiterhin Schießverbot bestand, scheint dennoch ein allgemeines Freischießen am 07. und 08.09.1845 genehmigt worden zu sein (siehe folgende Bekanntmachung).
 
 
Der Abbruch der gesamten Schießstätte erfolgte zwischen 1846 und 1849. Der finanzielle Erlös aus dem Abbruch betrug 93 Gulden, die von der Stadt vereinnahmt wurden. Die Schützengesellschaft löste sich danach auf, da keine Schießstätte mehr vorhanden war und 1848 durch Hecker (Badischer Revolutionär) die Republik ausgerufen wurde. Damit verbunden war eine Landesentwaffnung und die zwangsläufige Auflösung von Schützengesellschaften ("kein Schützenstand, keine Waffen"). Durch eine Verordnung vom 02.05.1857 wurde die allgemeine Landesentwaffnung wieder aufgehoben, weshalb 19 Radolfzeller Bürger (an der Spitze Johann Georg Mauch) unter Beifügung neuer Statuten ein Gesuch an das Großherzogliche Badische Bezirksamt richteten mit der Bitte um Genehmigung der Neugründung der Schützengesellschaft. Diese wurde zwar genehmigt aber mit der Auflage, dass der frühere Schießplatz wegen anerkannter Gefährlichkeit geschlossen bleibt. Da keine Ersatzschießstätte zur Verfügung stand, löste sich die Gesellschaft wieder auf.
 
Schon am 22.03.1863 gründete sich die Schützengesellschaft neu, 44 Mitglieder, fast durchweg dem Mittelstand angehörend, allerdings noch ohne eigene Schießstätte. Nach mehreren erfolglosen Versuchen der Schützengesellschaft, eine Genehmigung für die Errichtung einer Schießstätte auf dem früheren Gelände von 1849 zu erhalten, erfolgte statt dessen am 14.12.1865 die Genehmigung für eine "... provisorische Schießstätte in der unteren Herzeten beim Bahnwarthaus in der Richtung nach dem See". Als Auflage wurde u.a. - da ja seewärts geschossen wurde - gefordert, das Schießen einzustellen, wenn sich Zollboote in der Nähe auf Patrouillenfahrt befinden.
 
Zwei Jahre später, am 10.07.1867, wird ein Antrag auf eine neue Schießstätte mit der Begründung vorgelegt, dass "... die jetzige Schießstätte alljährlich durch den See der Zerstörung ausgesetzt sei, besonders während der Sommermonate, wenn der See Hochwasser führe." Die Schützengesellschaft schlug vor, die neue Schießstätte an der nördlichen Seite der Stadt, im "J.G. Mauchschen Garten, überm sogenannten Johannes-Gäßchen" zu bauen. Die Baugenehmigung durch das Bezirksamt erfolgte am 22.10.1867, worauf mit den Baumaßnahmen begonnen und ein Jahr später der Schießbetrieb aufgenommen wurde.
 
Bereits 7 Jahre später stand auch dieser Schießplatz in der Kritik. Mit einem Schreiben vom 12.04.1875 des Gemeinderates an das Bezirksamt wird auf "... die gefährliche Nähe des Schießplatzes der Schützengesellschaft an öffentlichen Straßen ..." hingewiesen. Als Gründe wurden genannt: Stadtnähe, Nähe von Wohnungen, Anlage der neuen Schützenstraße, die Verwendung verbesserter weittragender Schusswaffen. Das Großherzoglich Badische Bezirksamt reagierte sofort und verfügte, dass die Benutzung der Schießstätte bis auf Weiteres polizeilich untersagt sei. Nach erfolgter Begutachtung der Situation erließ das Bezirksamt Konstanz am 08.05.1875 den Beschluss, dass "... das Verbot der Benützung jenes Platzes als endgültig zu betrachten und es der Schützengesellschaft überlassen sei, einen anderen geeigneten Platz zu einer Schießstätte in Vorschlag zu bringen." 
 
Da in Radolfzell an die Eröffnung einer neuen Schießstätte nicht zu denken war, ist man nach Rickelshausen ausgewichen. Am 20.07.1876 wurde ein Antrag an das Bürgermeisteramt Überlingen/Ried gestellt, auf dem Gelände des Restaurateurs Stocker in Rickelshausen einen Schießstand einrichten zu dürfen. Interessant dabei ist, dass Bürgermeister Handloser von Überlingen/Ried in seinem Schreiben zur Weiterreichung des Antrags an das Bezirksamt die Schützengesellschaft als "SG Höhgau in Radolfzell" betitelt hatte. Es muss also eine Umbenennung stattgefunden haben, weil ja die Errichtung einer Schießstätte in Radolfzell zum damaligen Zeitpunkt keine Aussicht auf Erfolg mehr hatte. Da alle Grundbesitzer des ausgewählten Geländes in Rickelshausen Mitglieder der Schützengesellschaft waren, konnte das Vorhaben bis Juni 1877 realisiert werden. Es ist nicht mehr feststellbar, wie lange der Schießstand in Rickelshausen Bestand hatte. Nach Aussage des Mitglieds Meinecke soll sich die Schützengesellschaft - wieder einmal - im Jahr 1892 aufgelöst haben. Die Gründe hierfür sind nicht bekannt.
 
Vorsitzende bzw. Oberschützenmeister der Schützengesellschaft Radolfzell, soweit bekannt:
  • 1560  Josef Seitz der Armbruster
  • 1842  Friedel Gretsch
  • 1857  Johann Georg Mauch
  • 1863  A. Teufel
  • 1864  Josef Ulrich
  • 1875  Hans A. Schaffrodt
 
 
 
Radolfzeller Schützen von 1900 bis 1946
 
Erst 1910 ist wieder von der Neu- bzw. Wiedergründung der Schützengesellschaft die Rede. Datiert vom 15.02.1910 wurde ein Schreiben an eine beschränkte Anzahl Radolfzeller Bürger verschickt, um diese zum Beitritt in die Gesellschaft aufzufordern. Der besagte Personenkreis wurde auf den 21.02.1910 in das Hotel Scheffelhof eingeladen, um einen Vorstand zu wählen und die bisher durch die Initiatoren (Josef Stadler, Oskar Hiller, Richard Kraus) getroffenen Beschlüsse bekannt zu geben. Demnach kann als neues Gründungsdatum der 21.02.1910 (ein Montag) festgestellt werden. Da als Schießstätte lediglich ein Raum im Erdgeschoss des Hotels Scheffelhof mit den notwendigen Genehmigungen organisiert werden konnte, war "... die regelmäßige Abhaltung von Schießübungen ..." auf Zimmerstutzen und Floberts beschränkt. 
 
Da man sich auf längere Zeit mit dem Zimmerstutzen-Schießen nicht zufrieden gab, wurde bereits 1911 ein Gesuch um Genehmigung zur Erstellung eines Schießstandes im Gewann St. Wolfgang auf der Mettnau gestellt. Als Vorstand zeichneten Oskar Hiller und Wilhelm Brecht. Von Seiten des Gemeinderates gab es keine Bedenken, man war sogar bereit, der von den Besitzern der in Frage kommenden Allmendgrundstücke geforderte Schadensersatz von 2 RM pro Land auf die Stadtkasse zu übernehmen (Ratsprotokoll Nr. 1038 vom 31.07.1911). Die Baugenehmigung für den neuen Schießstand erfolgte am 28.10.1913. Der genaue Fertigstellungstermin ist nicht bekannt. Es ist jedoch anzunehmen, dass er kurz von Ausbruch des 1. Weltkrieges lag. Dies bestätigt eine Aussage des späteren OSM Ruoß in einem Schreiben wegen Übernahme oder Teiltilgung einer Kapitalschuld bei der Sparkasse, in dem er vermerkte: "Kurz nach Beendigung des Baues ist der Weltkrieg ausgebrochen und die Früchte des mühevollen Schießstandbaues konnten die Mitglieder nicht mehr genießen". 
 
Während des Krieges musste der Schießstand dem II. Ers.Batl. 114 überlassen werden, so dass nach Kriegsende größere Instandsetzungen erforderlich wurden. Mit dem Schießen auf der Mettnau (Gewehr Großkaliber auf 175 m bzw. 300 m) wurde wieder 1919 begonnen. Die Erlaubnis des Bezirksamtes hierzu datiert auf den 17.07.1919. Am 24. Juli 1921 erfolge schließlich die (Wieder-)Gründung der Schützengesellschaft. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten u.a. Otto Mutter, Quirin Joos, Hermann Fendrich, Karl Riester, Ernst Ruoß, Fritz Felder). Zwei schießsportliche Ereignisse sind aus dieser Zeit erwähnenswert: am 14. und 15.08.1921 wurde ein Vogelschießen in der Zentral-Viehhalle abgehalten, am 20.08.1922 fand auf dem Schießstand auf der Mettnau ein öffentliches Preisschießen statt.
 
 
Als Gast konnte ab 1927 auch der Krieger- und Militärverein den Schießstand der Schützengesellschaft auf der Mettnau nutzen. Der Krieger- und Militärverein erhielt von der Stadt 1928 das heutige Gelände im Altbohl zugewiesen, auf dem bis 1931 die Karl-Wolf-Schießstätte unter Mithilfe der Schützengesellschaft gebaut wurde. Die Einweihung fand am 05.05.1932 statt. Im Zuge dieser Einweihung erhielt die Anlage auch ihren bis heute gültigen Namen. Damit sollten die besonderen Verdienste des Direktors der Fa. Allweiler und damaligen Ersten Vorsitzenden des Krieger- und Militärvereins, Karl Wolf jun., für die Schießstätte gewürdigt werden. Während des 2. Weltkrieges diente sie als Übungsplatz für die vormilitärische Ausbildung. 
Karl-Wolf-Schießstätte 1932
 
Für den 07.06.1931 war die Schützengesellschaft mit der Durchführung des 8. Gauschießens des See- und Hegau-Schützenbundes beauftragt (Schützen aus Konstanz, Singen, Pfullendorf, Engen, Gailingen, Rielasingen und Radolfzell). Für die Beschaffung eines "Ehrenpreises" trug die Stadtkasse mit 20 RM bei. In diesen Jahren war das Schützenwesen hoch angesehen und wurde mit zahlreichen Veranstaltungen gepflegt: Wettkämpfe, Vergleichsschießen, Schützentreffen und andere Ereignisse. Die gesellschaftlichen Veranstaltungen waren immer etwas Besonderes. So wurde z. B. bei der Heirat eines Mitgliedes immer ein Hochzeitsschießen mit einer speziellen Hochzeitsscheibe veranstaltet. 
 
Oberschützenmeister Brecht stellte sein Amt am 25.03.1939 zur Verfügung. Als Nachfolger wird Ernst Ruoß gewählt, 2. Vorsitzender wird Hermann Fendrich. Für die Zeit während des 2. Weltkrieges sind noch zwei Veranstaltungen belegt: Ein WHW-Schießen (WHW = Winterhilfswerk) am 09.03.1941 sowie ein Kreisschießen am 13.06.1943 mit dem Slogan "Volksschießwettkampf für Alle". Der Leitgedanke dieses Schießens war, "... es allen Volksgenossen zu ermöglichen, das Kreisleistungs- bzw. Kreismeisterabzeichen zu erringen und somit den Schießsport und mit diesem den Wehrgedanken zu wecken und zu fördern ...". 
 
Das Jahr 1945 brachte auf Grund des verlorenen Krieges die Auflösung der Schützenvereine bzw. -gesellschaften und vor allem ein generelles Schießverbot mit sich. Sämtliche Lang- und Kurzwaffen waren abzuliefern. Die Auflösung der drei Radolfzeller Vereine (Schützengesellschaft, Kleinkaliber-Sportverein, KK-Schützenabteilung im NS-Reichskriegerbund) erfolgte endgültig am 05.03.1946 gemäß der Kontrollrat-Proklamation und des Kontrollratsgesetzes der französischen Militärregierung.
 
Oberschützenmeister der Schützengesellschaft Radolfzell, soweit bekannt:
  • 1909  Josef Stadler
  • 1919  Wilhelm Brecht
  • 1939  Ernst Ruoß
 
 
 
Der Schützenverein Radolfzell in der Nachkriegszeit bis zum Ende des 20. Jahrhunderts
 
Erst am 26. März 1955 erfolgte (wieder einmal) die Gründung einer Schützenvereinigung, dieses Mal als Schützenverein Radolfzell als Nachfolger der drei Vereine "Schützengesellschaft", "Kleinkaliber Sportverein" und "Reichskriegerbund". Mit Datum vom 03.12.1955 wurde der Eintrag ins Vereinsregister vollzogen. Zum 1. Vereinsvorsitzenden (Oberschützenmeister) wurde der beim Landwirtschaftsamt beschäftigte Inspektor Willy Merbd gewählt. Als Schießstätte kam nur die Karl-Wolf-Schießstätte im Altbohl in Frage, da die Standanlage auf der Mettnau nach Kriegsende einer anderen Nutzung zugeführt wurde.
 
 
Mit Stadtratsbeschluss vom 01.09.1955 wurde die Karl-Wolf-Schießstätte dem neu gegründeten Schützenverein zur Verfügung gestellt. Drei Jahre sollte es allerdings dauern bis ein Eröffnungsschießen stattfinden konnte. Denn zuvor mussten die zwei Familien, denen nach 1946 eine Unterkunft im Schützenhaus zugewiesen wurde, anderweitig untergebracht werden. Gleichzeitig war die Gesamtanlage von Grund auf zu renovieren, denn sowohl das Gelände als auch die Schießbahnen waren in einem schlechten Zustand und entsprachen in keiner Weise mehr den geforderten Sicherheitsbestimmungen. Für die erforderlichen Erdbewegungen konnte die Mithilfe der französischen Besatzungstruppen gewonnen werden, die mit einer Planierraupe und drei Soldaten die Vereinsmitglieder unterstützten. Im September 1958 war es dann endlich soweit. Nachdem die Abnahme der Standanlage am 12.07.1958 erfolgt und die Genehmigung zur Inbetriebnahme für den 20.08.1958 erteilt war, konnte am 27. und 28.09.1958 mit weit über 100 Schützen aus den Nachbargemeinden die zweite Einweihung der Karl-Wolf-Schießstätte gefeiert werden. In der Zwischenzeit hatte auch ein Wechsel des 1. Vorsitzenden stattgefunden. Für den ausgeschiedenen Oberschützenmeister Merbd stellte sich als Nachfolger Polizeikommissar Edmund Spohrer zur Verfügung, der den Vorsitz von 1958 bis 1967 inne hatte.
 
Die in den Folgejahren ansteigende Mitgliederzahl und der Wunsch, auch größere schießsportliche Veranstaltungen wie Kreismeisterschaften durchführen zu können, zwangen den Verein zur Vergrößerung der Anlage. Die Planung sah folgende Veränderungen vor: Erweiterung des Pistolenstandes auf 10 Plätze für Kurzwaffen bis Kaliber .38 bzw. 9 mm, Verlegung des Luftgewehr- und Luftpistolenstandes zwischen Kleinkaliber- und Pistolenstand, Ausstattung des KK-Standes mit elektrischen Zuganlagen. Die Realisierung erfolgte 1962/63, das Eröffnungsschießen fand am 25./26.05.1963 statt. Der Verein hatte zu dieser Zeit ca. 75 Mitglieder. 1968 erfolgte der Ausbau des Dachgeschosses, in dem u.a. ein sogenannter "Western-Saloon" eingerichtet wurde. Erster Vorsitzender war zu diesem Zeitpunkt Walter Reiner (1967 bis 1973).
 
Karl-Wolf-Schießstätte 1963
 
Ca. 10 Jahre später, im Januar 1975, stellte sich nach einer polizeilichen Sicherheitsüberprüfung heraus, dass die festgestellten Mängel ohne Umbaumaßnahmen nicht zu beheben waren. So entschloss sich die Vorstandschaft mit Karl Herburger als ersten Vorsitzenden, die Schießstätte von Grund auf zu sanieren. Nach einer Begehung der Gesamtanlage im Dezember 1978 zusammen mit den zuständigen Vertretern der Stadt Radolfzell und dem Sicherheitsbeauftragten des Regierungspräsidiums Südbaden war sogar eine Schließung der Anlage im Gespräch. Danach fertigte Oberschützenmeister Herburger selbst Entwurfspläne an, die 12 neue KK-Stände, einen Pistolenstand mit 10 Plätzen, 12 Luftgewehrstände im Freien sowie 10 in einer Halle vorsahen. Daneben wurde die Erweiterung des Schützenhauses vom Keller- bis zum Dachgeschoss gleich mit eingeplant. Die Baukosten wurden mit 350.000 DM veranschlagt, wovon ca. 153.000 DM durch ca. 8000 Stunden Eigenleistung (!) erbracht werden sollten.
 
Bauzeichnung von OSM Herburger 1979
 
Für diese umfassende Baumaßnahme reichte das bisher genutzte Gelände in der Größenordnung von 35,12 a jedoch nicht mehr aus. Daher wurde gleichzeitig bei der Stadt Radolfzell ein Antrag auf weitere Geländezuweisung und Abschluss eines neuen Erbbauvertrages gestellt. Das gesamte Vorhaben erlitt einen Rückschlag, als am 30.10.1980 der Pistolenstand völlig abbrannte, so dass die Pistolenschützen auf andere Stände ausweichen mussten. Zum 01.08.1981 wurde der Schießbetrieb vollständig eingestellt, so dass die Bauarbeiten nach Erhalt der Genehmigungen 1982 begonnen werden konnten.
 
Die Abnahme der gesamten fertiggestellten Standanlage inklusive Schützenhaus erfolgte am 17.04.1986 durch das Rechts- und Ordnungsamt, also rund vier Jahre nach Baubeginn. Mit der Wiederinbetriebnahme der Schießanlagen war es nunmehr möglich, Meisterschaften in weit größerem Maße als bisher durchzuführen. Davon machte der Schützenkreis Konstanz sowie der Schützenbezirk V (Bodensee) regen Gebrauch. Nach weiteren kleineren Baumaßnahmen zur endgültigen Fertigstellung der Gesamtanlage bis 1992 (Kleinkläranlage, Dachisolierung/Beheizung/Beleuchtung in der LG-Halle) beliefen sich die Baukosten auf ca. 470.000 DM. Für die Gesamtfinanzierung zeichnete der damalige Schatzmeister und spätere Oberschützenmeister Karl Keller verantwortlich. Sie setzte sich wie folgt zusammen:
- Angespartes Vermögen
- Spenden und Sachleistungen
- Eigenleistungen der Vereinsmitglieder
- Aufnahme eines Darlehens
- Zuschüsse der Stadt Radolfzell und des Badischen Sportbundes.
 
Der Schützenverein Radolfzell verfügte nunmehr über die zweitgrößte Standanlage im Schützenbezirk V - Bodensee. Der Verein zählte zu diesem Zeitpunkt (1992) ca. 300 Mitglieder.
 
Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts waren folgende Oberschützenmeister in der Verantwortung:
  • 1955 - 1958  Willy Merbd
  • 1958 - 1967  Edmund Spohrer
  • 1967 - 1973  Walter Reiner
  • 1973 - 1976  Heinz Schiessel
  • 1976 - 1977  Helmut Böhringer
  • 1977 - 1988  Karl Herburger
  • 1988 - 1989  Harold Brunner
  • 1989 - 2003  Karl Keller

  

Der Schützenverein Radolfzell nach der Jahrtausendwende

Bereits zu Beginn des neuen Jahrtausends erfolgte eine Renovierung des Schützenhauses und der Anlagen, deren Abschluss mit einem Tag der offenen Tür am 14. Juli 2002 gefeiert wurde (Südkurier 12.07.2002). In 2005 erhielt das Schützenhaus nachträglich ein neues Dach.

   

Schützenhaus im Jahr 2002

Durch den von 1982 bis 1986 erfolgten Neubau des Schützenhauses und der Schießanlagen können die wichtigsten Lang- und Kurzwaffendisziplinen auf der vereinseigenen Anlage trainiert werden. Dies war sicher eine der Voraussetzungen dafür, dass der Verein bis heute intensive sportliche Aktivitäten mit großen Wettkampferfolgen über viele Disziplinen erlebt. So erzielen Radolfzeller Schützinnen und Schützen regelmäßig zahlreiche Top-Platzierungen, insbesondere in Disziplinen für KK-Gewehre und Luftgewehr. Erstmalig errang der Schützenverein Radolfzell bei den Kreismeisterschaften 2019 Platz 1 in der Gesamtwertung (von insgesamt 41 Vereinen), Platz 1 in der Mannschaftswertung (von 27 Vereinen) sowie Platz 2 in der Einzelwertung (von 41 Vereinen). Eine Disziplin, die nicht auf der eigenen Anlage geschossen werden kann, ist das traditionsreiche Tontauben-Schießen (Trap), was von ca. 1990 bis 2010 intensiv praktiziert wurde. Die starke Mannschaft von zeitweise 15-20 Schützen musste zum Training auf andere Schießstätten ausweichen, insbesondere Bräunlingen und Konstanz. Der Schützenverein Radolfzell zählte zu dieser Zeit ca. 260 Mitglieder.

(Fortsetzung folgt ...)

Vorstände des Schützenverein Radolfzell seit 2003:

  • 2003 - 2005  1. Heinz Schiessel, 2. Ingo Förster
  • 2005 - 2019  1. Ingo Förster, 2. Peter Fezer
  • Seit 2019      1. Karsten Dreher, 2. Bernd Messmer